Die Auftragskompositionen der Egerländer Blasmusik Frankenhardt – ein Erfahrungsbericht
Ein Geschenk an die Heimat
Martin Dasing und seine Egerländer Blasmusik Frankenhardt haben sich auf ein spannendes Projekt eingelassen und gleich zwei Mal eine Komposition in Auftrag gegeben – eine Erfahrung, die Dasing jedem Orchester unbedingt ans Herz legen möchte. Aber wie geht man am besten vor? Und mit welchen unerwarteten Herausforderungen ist zu rechnen? Ein Erfahrungsbericht. Alles begann an einem Donnerstagabend im Herbst 2014. Als Kreisverbandsvorsitzender des KV Hohenlohe hatte ich einen Termin bei Bürgermeister Jörg Schmidt im Rathaus in Gründelhardt zur Besprechung der D-Lehrgänge in der hiesigen Grundschule. In diesem Gespräch äußerte Bürgermeister Schmidt auch den Wunsch, einen im Ort ansässigen Musikverein zu gründen, was ich jedoch aus Rücksicht auf die benachbarten Musikvereine, welche Mitglied in meinem Kreisverband sind, ablehnte. Trotzdem ließ mir der Wunsch des Bürgermeisters keine Ruhe. Und so trat ich schließlich 2015 mit einer kleinen Besetzung, bestehend aus sieben Musikern aus der Gemeinde, beim Neujahrsempfang der Gemeinde Frankenhardt auf.
Vom Projektorchester zum Verein
Nach diesem erfolgreichen Auftritt trat Bürgermeister Schmidt mit der Bitte, ein Projektorchester zu gründen, an mich heran. Es begann die mühsame Suche nach musikalischen Mitstreitern. Eine Egerländer-Besetzung war schon immer ein persönlicher Wunsch von mir. Durch das Engagement von Peter Schad als Kapellmeister war die Anwerbung weiterer Musiker einfacher und so konnte ich neben meinen bisherigen Musizierenden aus der Gemeinde zahlreiche gute und engagierte Musiker aus Hohenlohe und von der Ostalb gewinnen. Mit einem Probentag am 16. Januar 2016 starteten wir dann erstmals als Egerländer Blasmusik Frankenhardt in die offene Probe mit Peter Schad. Am nächsten Tag absolvierten wir den Neujahrsempfang ohne Kapellmeister. Peter Schad hatte zu diesem Neujahrsempfang schon eine anderweitige Verpflichtung, was uns aber von Anfang an bekannt war. Der Auftritt war ein voller Erfolg. Wir hatten zwar eine stehende Besetzung, aber keinen festen musikalischen Projektleiter. Da mir eine qualifizierte Orchesterleitung sehr wichtig war und ich bereits im Rahmen des JugendMusikCamps der Bläserjugend 2013 mit Martin Scharnagl zusammengearbeitet hatte, fragte ich ihn, ob er Interesse hätte – mit Erfolg! Nun konnte es so richtig losgehen: Neue Musiker wurden in die Register aufgenommen, Martin Scharnagl stellte ein Programm zusammen, wir setzten Proben und sogar ein Werkstattkonzert an. Ziel war der Neujahrsempfang 2017. Dazwischen erfolgte noch die Vereinsgründung. Auch dieser Auftritt wurde wieder ein voller Erfolg. Danach wollte ich persönlich mehr. Wir hatten zwar eine stehende Besetzung, aber keinen festen musikalischen Projektleiter. Da mir eine qualifizierte Orchesterleitung sehr wichtig war und ich bereits im Rahmen des JugendMusikCamps der Bläserjugend 2013 mit Martin Scharnagl zusammengearbeitet hatte, fragte ich ihn, ob er Interesse hätte – mit Erfolg! Nun konnte es so richtig losgehen: Neue Musiker wurden in die Register aufgenommen, Martin Scharnagl stellte ein Programm zusammen, wir setzten Proben und sogar ein Werkstattkonzert an. Ziel war der Neujahrsempfang 2017. Dazwischen erfolgte noch die Vereinsgründung. Auch dieser Auftritt wurde wieder ein voller Erfolg. Danach wollte ich persönlich mehr.
Projekt 1: Eine Auftragskomposition zum Geburtstag
Zum einjährigen Jubiläum unseres Vereins wünschte ich mir eine Auftragskomposition. Nach der kurzfristigen Zusage von Martin Scharnagl fing für uns als Ensemble die Arbeit erst so richtig an. Da der Musikverein nicht über ausreichend Finanzmittel verfügte und
wir in einer strukturschwachen Kommune leben, habe ich den Kompositionsauftrag aus eigener Tasche bezahlt. Nun mussten wir uns über musikalische Eckpunkte Gedanken machen: Welche Form sollte die Auftragskomposition haben? Eine Polka wäre natürlich naheliegend. Das haben wir wider Erwarten in der Diskussion aber schnell verworfen. Ein ordentlicher Konzertmarsch sollte es sein. Wir wollten einen bewussten Gegensatz setzen: Mit der schwarzen Konzertkleidung – für eine Egerländer Besetzung total unüblich – wollten wir schon optisch hochwertig in Erscheinung treten, ergänzend dazu hat sich ein Konzertmarsch angeboten.
Von der Länge her orientierten wir uns an bekannten Traditionsmärschen und legten uns auf 3:30 Minuten fest. Das Werk sollte Eröffnungscharakter besitzen, schließlich sollte es ja auch beim Neujahrsempfang der Gemeinde Frankenhardt erklingen. Bei der Schwierigkeit entschieden wir uns für Grad 3-4. Das Stück sollte uns Musiker zum einen fordern, andererseits wünschten wir uns, dass es den Konzertbesuchern (egal ob aus Sylt oder Südtirol) als ansprechender Eröffnungstitel in Erinnerung bleibt. Das Ergebnis kam Ende November in Form des Notensatzes. Die Stimmen waren schnell verteilt. Jeder probte zu Hause und auch die darauffolgende gemeinsame Probenarbeit war sehr intensiv. Da Scharnagl unsere Besetzung schon kannte, hatte er uns eine maßgeschneiderte Komposition vorgelegt. Meiner Meinung nach ist dieser Punkt bei einer Auftragskomposition eines der wichtigsten Kriterien.
Die schwierige Suche nach dem Titel
Ab Weihnachten standen wir wegen eines geeigneten Werktitels in engem Austausch mit Martin Scharnagl. Fast täglich sendete ich
ihm Titelvorschläge. Jeder wurde nach mehrfacher Recherche aber wieder verworfen. Rückblickend war dies einer der nervenaufreibendsten Punkte. Sowohl ich als auch meine Musiker haben die Titelsuche völlig unterschätzt. Selbst in der ersten Orientierungsprobe mit dem Komponisten einen Tag vor der Uraufführung hatten wir immer noch keine Lösung bei der Namensfrage. Erst in der »Nachbesprechung« zur Probe kristallisierte sich in geselliger Runde gegen 0.30 Uhr ein Ergebnis heraus: »Frankenhardt« sollte die Komposition heißen. Dieser Name ist einmalig und in der Musikgeschichte noch nicht dokumentiert. In seiner Schlichtheit ist der Titel absolut passend für das schmissige und klangfarbenreiche Werk aus Scharnagls Feder. Frankenhardt ist ein Kunstname im Rahmen der Gemeindereform. In ihm verbindet sich der Hinweis auf die Region Franken und mit einem Rückgriff auf das Suffix -hardt (= Wald) in den Ortsnamen der beiden Altgemeinden Gründelhardt und Honhardt. Am nächsten Tag folgte dann eine offene Probe mit anschließendem Werkstattkonzert. Das Interesse der Bevölkerung war enorm, die Stühle reichten bei weitem nicht. Stellenweise hatten sich sogar zwei Personen einen Stuhl geteilt. Ein Teil des Publikums verfolgte das Konzert stehend. Vor dieser eindrucksvollen Kulisse haben wir unseren Konzertmarsch uraufgeführt. Dabei habe ich Bürgermeister Jörg Schmidt auch eine Urkunde für die Gemeinde Frankenhardt überreicht. Am Folgetag wurde das Werk als Gemeindemarsch im Rahmen des Neujahrsempfangs vorgestellt.
Projekt 2: »Eine neue Hymne für Frankenhardt« mit Bürgerbeteiligung
Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft bin ich auf die Fördermaßnahme »LandKULTUR«
gestoßen, ein spartenübergreifender Wettbewerb für den ländlichen Raum. Inspiriert vom Kompositionswettbewerb »Logo in
Sounds« des Landesblasorchesters habe ich in diesem Rahmen das Projekt »Eine neue Hymne für Frankenhardt« ins Leben gerufen,
das von der Jury auch den Zuschlag erhielt. Das Ziel dabei ist es, eine Hymne für Frankenhardt zu schaffen, mit der sich alle Bevölkerungsschichten identifizieren und die alle gemeinsam als verbindendes Symbol und gemeinsames Gut betrachten können.
Projektstart war im Juli 2019, also knapp eineinhalb Jahre nach der Uraufführung des Gemeindemarsches. Im Gegensatz zu dieser damals »einsamen Entscheidung« meinerseits sollte das neue Hymnen-Projekt mit Bürgerbeteiligung stattfinden. Alle gesellschaftlichen Gruppen der Gemeinde sollten aktiv mit einbezogen werden – egal welchen Alters oder mit welchem Bildungshintergrund. In einer Bürgerwerkstatt stellte ich den Teilnehmern das dreiteilige Kompositionskonzept aus Auftragskomposition, Bühnenkleidung und Bühnenbild vor.
Die Auftragskomposition
Beim Konzertmarsch »Frankenhardt« hatten wir nur in einem sehr kleinen Personenkreis diskutiert und mehr oder weniger habe ich dann alleine entschieden. Diese Vorgehensweise wollte ich bei der zweiten Komposition nicht wiederholen. Dieses Mal tauschten wir
uns mit den interessierten Teilnehmern intensiv und mitunter auch sehr leidenschaftlich über die inhaltliche Gestaltung aus.
Dabei betrachteten wir die multikulturelle Herangehensweise an das Thema Hymne. Beeindruckt hat uns dabei besonders die Interpretation afrikanischer Staaten. Wir beschäftigten uns auch mit der Volkskultur und Landesgeschichte unseres Komponisten
Martin Scharnagl. Dann machten wir uns Gedanken über unsere Identität und unsere eigene Kulturgeschichte im Gesamtkontext.
Wir wollten etwas Neues entwickeln. Doch was? Ein Marschlied wurde andiskutiert und nach langem Hin und Her verworfen. Einen klassischen Ansatz hatten wir ja schon bei unserer ersten Komposition. Sehr leidenschaftlich haben wir dann um einen Konsens gerungen, der von allen gesellschaftlichen Gruppen in der Gemeinde Frankenhardt mitgetragen wird. Und so fiel die Entscheidung auf eine Schnellpolka im Schwierigkeitsgrad 4 mit einer Dauer von 4 Minuten. Bei der Entscheidungsfindung standen wir immer sehr eng im Dialog mit unserem Komponisten Martin Scharnagl.
Bühnenkleidung und Bühnenbild
Bei der Bühnenkleidung wollten wir unsere Hohenloher Tradition aktiv weiterentwickeln. Dabei suchten wir den Dialog mit der Hohenlohisch-fränkischen Trachtengruppe Öhringen und der Fränkischen Familie aus dem benachbarten Crailsheim. In Anlehnung an die in diesem Landstrich vorherrschende protestantische Volksfrömmigkeit sollte es eine schwarze Weste mit leuchtend grünen Applikationen werden. Das Grün steht als Symbol für den Waldreichtum innerhalb Frankenhardts. Dazu wird ein weißes Hemd mit jeweils schwarzer Hose, schwarzen Schuhen und schwarzen Socken getragen. Beim Bühnenbild wollten wir uns in der einheitsstiftenden Symbolik des Gemeindewappens wiederfinden. In Anlehnung an die vorherrschende protestantische Tradition in der Gemeinde haben wir passende Pultbanner entwickelt. Geeinigt haben wir uns auf ein auf schwarzem Samt gesticktes Gemeindewappen. Diese Pulttücher sollten ebenfalls mit leuchtend grünem Saum eingefasst werden. Es war übrigens von Anfang an im Bewilligungsbescheid fixiert, dass alle drei Bestandteile nur im Kontext, auch über die Uraufführung hinaus, zusammen präsentiert werden müssen.
Uraufführung und Evaluierung des Projekts
Vor Weihnachten 2019 bekamen wir die Komposition. Die Stimmen wurden verteilt und nach der Vorbereitung zu Hause trafen sich
die Musiker zu intensiven Registerproben. Bei de Orientierungsprobe mit dem Komponisten waren ein konstant hohes Tempo (152)
und die filigrane Werkinterpretation im Gesamtklang eine schöne Herausforderung. Nebenbei bereiteten wir auch organisatorisch die Uraufführung vor. Die große Herausforderung der ersten Auftragskomposition – das Thema Namensfindung – entfiel diesmal. Aufgrund der Erfahrungen, die wir bei der ersten Auftragskomposition gemacht hatten, konnten wir dieses Mal sehr viel entspannter an die Werkneuvorstellung herangehen. Nach der Uraufführung setzen wir uns nun in der Evaluation mit der inhaltlichen Weiterentwicklung des Kompositionskonzepts auseinander. Gemeinsam mit Martin Scharnagl werden wir die Komposition weiterentwickeln, hin zu einem eigenen, unverwechselbaren Klang. Im Rahmen des Evaluations- und Weiterentwicklungsprozesses nach der Uraufführung erhielt die Auftragskomposition »Eine Hymne für Frankenhardt« außerdem den Subtitel »Auf die Schnelle«.
Man lernt als Orchester viel über sich und seine Grenzen
Zum Schluss möchte ich wirklich jedem Orchester ausdrücklich empfehlen, sich einmal mit dem Thema Auftragskomposition auseinanderzusetzen. Der Musikverein lernt dabei sehr viel über sich und seine Grenzen. Vor allem das Vorgehen bei unserem zweiten Projekt hat mich sehr überzeugt: Durch die drei Teilbereiche der Komposition bekommt das Projekt mehr Tiefgang und wird dadurch für alle Beteiligten zu etwas ganz Besonderem. Die Herangehensweise an eine Komposition innerhalb eines Gesamtkontextes mit mehreren Elementen ist für mich unheimlich spannend gewesen. Die breite Bürgerbeteiligung mit den Erfahrungen und Ideen der Teilnehmer ist außerdem ein starkes Signal für die Demokratieförderung und Teilhabeorientierung im ländlichen Raum.
Martin Dasing
Dier Bericht wurde in der Novemberausgabe 2020 der Verbandszeitschrift „Forte“ des Blasmusikverbandes Baden Württembergs erstveröffemtlicht.
Redaktion: Cornelis Härtl